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Klaus Hoppe, Jahrgang 1961, ist Geograph und unterstützt Kommunen hinsichtlich der Integration von “nachhaltigen Strukturen und Prozessen“. Dabei gilt es die vorhandene Situation zu berücksichtigen und wertzuschätzen bevor neue und mehr integrierte Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden können. Dies gilt besonders für aktuelle Smart City Entwicklungen . Klaus Hoppe arbeitete 20 Jahre im öffentlichen Dienst auf Kreis- und Stadtebene, von 2001 bis 2014 verantwortete er die Entwicklung und Umsetzung der Klimaschutzstrategie der Stadt Freiburg. Darüber hinaus spielt er (noch immer) Fußball inkl. Trainerlizenz.  Weitere Informationen: www.klaushoppe-consulting.de

Von unserem neuen Autor Klaus Hoppe
Wie moderner Fussball hilft, neue Formen der Zusammenarbeit in Städten und Gemeinden zu entwickeln.
  1. Herausforderungen

The only thing that will redeem mankind is cooperation. Bertrand Russel

Die Städte stehen vor großen ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen. Innere und äußere Faktoren erfordern Handlungsstrategien, um diese zukünftig für Ihre Bewohner[1] lebenswert zu gestalten.

Lösungen für eine umwelt- und menschenverträgliche Mobilität, Energieversorgung und Produktion (Mitigation) gehen dabei Hand in Hand mit dem Schutz vor Überschwemmungen oder Hitzeinseln (Adaption). In den Beschlüssen des Klimagipfels in Paris und den aktuellen Sustainable Development Goals (SDGs) wird der Bedeutung der Städte in der Zukunft entsprechend Rechnung getragen.

Als Antwort auf die komplexen Herausforderungen gilt die „Smart City“ nicht nur als das Prinzip der vernetzten Stadt der Zukunft, sondern als Lösung für die Herausforderungen der Städte in der Zukunft.

Digitalen Lösungsansätze, die unser Leben bequemer und effizienter machen sollen, stehen aber vermehrt auch Ängsten gegenüber, sich einer ungreifbaren, maschinellen Entwicklung auszuliefern, womöglich ohne dabei die versprochenen Annehmlichkeiten zu erlangen.

  1. Wer steuert?

Doch wer steuert diese Entwicklung in den Städten? Wer entwickelt notwendige Strategien und setzte diese um? Wie wird die zunehmende Digitalisierung integriert und von wem?

Ich gehe hier davon aus, dass Bürgermeister, Gemeinderäte und die Stadt-Verwaltung (auch zukünftig) wesentliche Akteure in der Gestaltung städtischer Prozesse sein werden. Sie müssen sich auf die Veränderungen und Herausforderungen strategisch, personell (= Algorithmus-affine Mitarbeiter) und schnell einstellen.

Die Mühlen der Verwaltungen mahlen langsam. Im Sinne von Beständigkeit und Verlässlichkeit hat das aber auch eine positive Seite. Ein Beispiel aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien: Viele Investoren für Solar-Anlagen bevorzugen die kommunalen Gebäude und deren Dachflächen gerade deshalb, weil sie davon ausgehen können, dass diese Gebäude auch noch in 20 Jahren im städtischen Besitz sein werden und unverändert genutzt werden können um alternativen Strom zu erzeugen.

Trotzdem: Potentiale um Kommunikation, Kooperation und damit auch die Kreativität (K³) zu verbessern sind meiner Meinung nach ausreichend vorhanden. Flexibilität innerhalb der vorhandenen „Leitplanken“ ist gefordert. Department-Department-Partnership (DDP), die Kooperation innerhalb der Verwaltung kommt vor Public-Private-Partnership (PPP), der Zusammenarbeit mit den Akteuren einer Stadt.

  1. Fußball als Metapher – K³ (Kommunikation, Kooperation und Kreativität)

Was kann die nachhaltige Stadtentwicklung vom Fußball lernen?

[1] Football = Soccer in American English

[2] im Folgenden wird die männliche Form der Einfachheit verwendet; gemeint sind aber immer männliche und weibliche Personen gleichzeitig

Der moderne Fußball, wie er von den besten Vereinsmannschaften interpretiert wird, ist für mich ein hervorragendes Beispiel wie Rollen und Zusammenspiel neu gestaltet werden können, ohne gleich die grundlegenden Rahmenbedingungen zu verändern.

Städte und ihre Verwaltungen müssen in einem ersten Schritt ihre interne Zusammenarbeit optimieren, um den zukünftigen Entwicklungen, wie IT-basierte Lösungen, sinnvoll in eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zu integrieren.

Spielsysteme und Taktik - Veränderung innerhalb der Rahmenbedingungen

Wenn wir in der heutigen Zeit über Spielsysteme und Taktik im Fußball sprechen, so hat sich seit den Ursprüngen des Fußballs bezüglich des Regelwerkes wenig geändert. Das Spiel findet noch immer zwischen zwei Toren statt. Regeländerungen dienten immer dem Zweck, die Entwicklung des Spiels an sich zu fördern. So hat vor allem die Einführung der Abseitsregel[1] oder die Rückpassregelung[2] dafür gesorgt, das Spiel in seiner Kreativität zu fördern, und eine rückwärtsgerichtete, nicht-kreative Entwicklung zu verhindern. Der moderne Fußball zeigt, dass sich in einem gegebenen Rahmen vieles positiv verändern kann.

Rolle der Spieler- Mannschaftsaufstellung

Es ist noch nicht so lange her, da war die Rolle des Einzelnen Spielers klar definiert. Der Kapitän hatte das sagen, der Mittelstürmer die Tore zu schießen, die Abwehrspieler nicht über die Mittellinie zu marschieren und der Torwart Bälle zu halten. Heute müssen Fußballspieler flexibel sein und verschiedenste Funktionen ausfüllen können.

Das hängt vom jeweiligen Gegner oder der Aufgabe ab, gilt aber besonders auch für die unterschiedlichen Spielsituationen während des Spiels – von der Defensive bis zum Angriff.

Die nachfolgende Abbildung zeigt eine mögliche taktische Aufstellung einer Kommunalverwaltung im Bereich des Klimaschutzes, - sagen wir - für die Entwicklung einer neuen Fernwärmelösung in einem Stadtteil. Der Bürgermeister hat in dieser Aufstellung (am Ende des Projektes) die Funktion des „Mittelstürmers“, also er vollendet und drückt auf den Roten Knopf zur Einweihung des Kraftwerks. Am Anfang des „Spiels“ fungierte er als „Coach“, indem er die grundlegende Strategie vorgab.

s.Abb. 1 – Mannschaftsaufstellung Klimaschutz s. unten

[3] Abseits im Fußball: Ein Spieler steht dann im Abseits, wenn er bei Ballabgabe näher zum gegnerischen Tor steht als zwei Verteidiger. In der Konsequenz der Regel, wird die angreifende Mannschaft gezwungen, kreative Lö-   sungen zu finden, um vor das Tor des Gegners zu gelangen und letztlich Tore zu erzielen.
[4] Die Rückpassregelung verbietet dem Torwart, einen Rückpass vom eigenen Mitspieler mit der Hand aufzuneh-    men. Damit wird die im Ballbesitz befindliche Mannschaft gezwungen, ihr Spiel „nach vorne“ auszurichten.         Interessanter 
Nebenaspekt: Torhüter müssen fußballerische Qualitäten entwickeln und „mitspielen“.

Spielphilosophie, Achtsamkeit und Kreativität – Gemeinsames Agieren

Die gemeinsam entwickelte Spielphilosophie muss von jedem Akteur, vom Trainer bis hin zu den Ergänzungsspielern verinnerlicht werden, um so auch bei Auswechslungen oder Kaderveränderungen die Kontinuität zu wahren. „Blindes Verständnis“ oder „No-Look-Pässe“ sind treffende Beschreibungen.

Doch trotz der teambezogenen Spielphilosophie liegt es immer in der Entscheidung des ballführenden Spielers, sich in einer konkreten Spielsituation für eine Quer-, Rück-, bzw. Steilpass oder für ein Dribbling[1] zu entscheiden. Die Mitspieler müssen in solchen Situationen auf „alles“ gefasst sein.

[5] Dribbling: Ein Spieler führt dabei den Ball möglichst dicht am Fuß, um so durch z.B. eine Körpertäuschung den     Gegenspieler hinter sich zu lassen.

Abbildung 2 (s. unten) : Fünf-Optionen Angriffszug: Beispiel für ein komplexes Angriffsmuster, bei dem gleich fünf Spieler hellwach sein müssen, wenn der Außenstürmer (7) mit dem Ball nach innen zieht; mit freundlicher Erlaubnis von Frank Wormuth, Chefausbilder des Deutschen Fußballbundes (DFB).

Wie in der Abbildung 2 deutlich wird, hat der ballführende Spieler (7) mindestens fünf verschiedene Optionen, auf die die Mitspieler sich einstellen müssen. Das geht nur, wenn sie alle hellwach sind. Je besser das Verständnis und Vertrauen untereinander, desto weniger aktive Kommunikation ist notwendig.

Egal welche Entscheidung der/die Ballführende trifft, das Spiel beginnt danach wieder „von neuem“ und bisher ungeahnte Möglichkeiten entstehen, selbst bei Fehlpässen. Oftmals führen sogar genau diese „Fehlpässe“ oder abgefälschte Bälle zu Chancen und Toren, die nicht vorhersehbar oder planbar sind. Captain Barbossa, im Blockbuster Fluch der Karibik III, formulierte das so: “For certain you have to get lost to find the places, that can´t be found. Elseways everyone would know where it was!”[1]

Umgang mit Geschwindigkeit und Komplexität – Schnelles Umschaltspiel

Das moderne Fußballspiel ist schneller und komplexer geworden. Die Zeit zum Überlegen vor einem Pass, die noch in den 70er und 80er Jahren die sogenannten Spielmacher hatten, ist lange vorbei. Fußball ist daher auch ein gutes Beispiel dafür, Entscheidungen „unter zeitlichem Druck“ schnell treffen zu müssen. Dazu braucht es die entsprechende Technik (Ausbildung), ein Gefühl für die Situation (Erfahrung) und Mut (Entscheidungsfreude).

Dabei bilden sich oft kleine Einheiten von 3-4 Spielern, die sich miteinander bewegen, den Ball „zuspielen“, ohne direkt bzw. verbal zu kommunizieren. Vergleiche zur Schwarmintelligenz[2] sind m.E. nicht zufällig.

Vorschläge für die (kommunale) Praxis

Der moderne Fußball ist ein eindrucksvolles Beispiel wie mit Kommunikation, Kooperation und einem guten Schuss Kreativität eine gemeinsame Sache - mit Spaß - zielorientiert verfolgt werden kann. Dabei werden in einem gesetzten Rahmen Hierarchien und Rollen des Einzelnen und des Teams immer wieder neu interpretiert und gestaltet.

Auch in städtischen Systemen sind im ersten Schritt keine grundlegenden Umstrukturierungen notwendig. Die vorhandenen Strukturen müssen als Entwicklungsbasis gewürdigt und erkannt werden[3] , können so Basis für Veränderungen innerhalb der Rahmenbedingungen sein für:

  • Neuinterpretation der Rolle der Mitarbeiter – (Mannschaftsaufstellung)
  • Gestaltung des gemeinsamen Agierens (Spielphilosophie, Achtsamkeit und Kreativität)
  • Schnelle Entscheidungsfindung (Umgang mit Geschwindigkeit und Komplexität)

Insgesamt gilt es die interne Kommunikation zu verbessern (regelmäßige, fachübergreifende Abstimmungsrunden) und die Kooperation zu optimieren (projektorientierte Arbeitsgruppen mit entsprechenden Handlungsspielräumen).

Testen und Ausprobieren – Energieversorgung in Stadtteilen

Zum Testen (Prototyping) eignen sich konkrete Projekte, für die entsprechende Absprachen getroffen werden, die von allen Beteiligten mitgetragen werden. Im besten Fall, werden das Procedere und die Erfahrungen dokumentiert und im Anschluss gemeinsam bewertet und für die Weiter-Entwicklung genutzt. Dabei gilt die einfache Regel: Zusammensetzen und Reden![4] Das ist der erste Schritt und auch der Wichtigste!

Ein Beispiel: Für städtische Quartiersprojekte müssen Fragen der Energieversorgung frühzeitig in den Planungsprozess integriert werden, von der Ausrichtung der Gebäude (passiven Energiegewinne) über energetischen Gebäudestandards bis hin zum Vergleich von Energieversorgungsvarianten. Im besten Fall ist dieser Prozess fest in städtische Planungsprozesse verankert (Kontinuität).

Und die Smart City?

Die Entwicklung und Gestaltung der Städte stellt hohe Anforderung an die verantwortlichen Akteure. Die Digitalisierung ist ein Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist die nachhaltige, lebenswerte Stadt!

„In complicated systems, we can try to figure out the best solution. In complex systems, we need workable solutions and fast iterations”[5]. Schnelles Umschaltspiel würde man beim Fußball sagen.

[6] „Natürlich muss man sich verlaufen, um an Plätze zu gelangen, die nicht gefunden werden können. Ansonsten wüsste ja jeder, wo sie wären.“



[7] Schwarmintelligenz: „Fähigkeit eines Kollektivs zu sinnvoll erscheinendem Verhalten“ www.duden.de; Eine kurze kritische Einschätzung findet sich bei: http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/warum-schwarmintelligenz-falsch-verstanden-wird-a-985858.html


[8] Friedensreich Hundertwasser: Wer die Vergangenheit nicht ehrt, verliert die Zukunft. Wer seine Wurzeln ver-   nichtet kann nicht wachsen.


[9] Siehe auch: Daniel Goleman, Focus – The Hidden Driver of Excellence, 2013, S. 141


[10] Laloux, 2014, S. 211


Abb.1                                         Abb.2Abb.1                                         Abb.2

Abb.1 Abb.2

Tag(s) : #Stadtplanung, #Oekologie, #Natur, #Technik, #Umwelt, #Paradigmawechsel, #Gesellschaft, #Bewusstsein
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